, Suter Ramon

Favoriten unter sich

Im Vereinscup hat Nicolas Küng im Halbfinal der Favoriten mit Weiss gegen Bilal Gümüsdagli gewinnen können und wurde später zum Turniersieger. In der Vereinsmeisterschaft erspielten sich die beiden je 10.5 Punkte aus den sieben Doppelrunden. Folglich musste eine Zusatzrunde gespielt werden, um eine Entscheidung zu erzwingen. Es war eine spektakuläre Angelegenheit.

 

In der Entscheidungsrunde spielen die Punktegleichen wie in den regulären Runden zwei 25-Minuten Partien, jeweils einmal mit Weiss und einmal mit Schwarz. Sollte es danach immer noch Unentschieden stehen, würde eine Armageddon-Partie gespielt, wobei Weiss mit 5 Minuten Bedenkzeit gewinnen muss und Schwarz mit 4 Minuten Bedenkzeit auch bei einem Remis als Sieger erkoren wird. Aber das hat es im dokumentierten Teil unserer 87-jährigen Vereinsgeschichte noch nie gegeben.

Nicolas führte in der ersten Partie die weissen Steine. Bilal konterte mit einer Opfervariante, um sein kreatives Angriffsspiel zu lancieren. Daraus entstand eine offene und komplizierte Stellung – vermutlich mit Vorteil für Weiss, aber schwierig zu spielen. Die Vielfalt der Optionen und die Bedeutung der Partie zeigte sich schnell auf der Uhr. Auf der Suche nach dem Gewinn hatte Nicolas immer etwas weniger Bedenkzeit. Er rang sich durch, die Figur zurückzugeben, um seinerseits in den Angriff zu kommen. Mit diesem kam er jedoch nicht durch. Am Schluss gewann Bilal klar, auch weil Nicolas schlichtweg die Zeit ausging.

In der zweiten Partie gewann Bilal früh einen Bauern. Die Körpersprache liess vermuten, dass er mit der Eröffnung zufrieden war, Nicolas aber nicht. Doch Letzterer legte einen bemerkenswerten Willen und Kampfgeist an den Tag. Er liess sich nicht zurückdrängen. Ganz im Gegenteil, es schien als könnte er die Partie je länger je ausgeglichener gestalten. Jeder Zug von Nicolas sass und Bilal leistete sich eine Ungenauigkeit. Der verlorene Bauer wurde zurückgewonnen. Aber Nicolas drückte weiter. Dem zuschauenden Amateur sind keine Fehler aufgefallen und trotzdem stand Nicolas immer besser. Mit weniger als einer Minute auf der Uhr führte Nicolas die Partie konsequent und souverän zum Sieg.

Es kam also, wie es kommen musste – eine Armageddon-Partie sollte über den Vereinsmeistertitel entscheiden. Bilal gewann die Auslosung und durfte die Farbe wählen. Er entschied sich für Weiss. Auch diese dritte Partie war derart heiss umkämpft, dass das Holzbrett schier verkohlte. Nicolas verbrauchte sehr viel seiner Bedenkzeit, um die Partie in ruhigere Gewässer zu lenken. Doch dies gelang ihm wunschgemäss, sodass ein Bauernendspiel mit einem Mehrbauern für Schwarz resultierte. Nicolas hatte noch 45 Sekunden auf der Uhr. Das reicht ihm vermutlich in 98 von 100 Partien, um diese Stellung in ein Remis auszuspielen. Doch er spielte auf Sieg und hatte sich dabei verkalkuliert. Bilal konnte, mit wesentlich mehr Zeit auf der Uhr, mit seinem König in die schwarze Bauernstruktur eindringen und seinerseits schneller einen Bauern umwandeln. Weil die Partie so verlängert wurde, reichte die Zeit von Nicolas nicht mehr dazu aus, das Unentschieden im Damenendspiel zu halten.

So werden die Pokale brüderlich geteilt und es verbleiben für beide Spieler weitere Herausforderungen im kommenden Vereinsjahr. Herzliche Gratulation an Nicolas und Bilal zu ihren Turniersiegen im Cup respektive in der Meisterschaft!

Mit eurer fairen und respektvollen, aber auch kompromisslos um den Sieg kämpfenden Spielweise giesst ihr Öl ins Feuer des ehrgeizigen Sportsgeists. Es ist gleichermassen eine Freude wie auch ein Privileg, euch beim Schachspielen zuschauen zu dürfen.